Wir leisten mehr: Innovative und aufwändige Medizin ist unser Auftrag
Unter dem Motto „Wir leisten mehr“ informieren in dieser Woche die 33 Unikliniken in Deutschland über Leistung und Finanzierung der Hochschulmedizin in Deutschland. Weil Universitätskliniken weitgehend genauso finanziert werden wie alle anderen Krankenhäuser verschlechterte sich seit dem Jahr 2011 die finanzielle Lage bundesweit drastisch: Das Gesamtdefizit aller Unikliniken für die Jahre 2012 und 2013 liegt bei über einer Viertelmilliarde Euro. Für das Jahr 2014 erwarten 61 Prozent der Universitätskliniken ein Defizit. Durch die dauerhafte Defizitsituation drohen zusätzliche Belastungen der Landeshaushalte.
„In den 1980er Jahren war Blutkrebs, die Leukämie, eine vernichtende Diagnose, heute liegen zum Beispiel bei den akuten Leukämien im Kindesalter die Überlebensraten zwischen 80 und 85 Prozent. Patienten mit der Parkinson’schen Erkrankung waren in den 1960er Jahren nicht behandelbar, heute gibt es zahlreiche effektive Medikamente gegen die Symptome der Erkrankung und mehr als 80.000 Menschen weltweit sind mit einem elektrischen Hirnstimulator versorgt, der auch in schwierigen Fällen noch hilft. Die Reihe dieser Beispiele medizinischen Fortschritts lässt sich beliebig fortführen. Wo werden diese Fortschritte erarbeitet? In der Hochschulmedizin, in den Universitätskliniken“, sagt Prof. Dr. Christian Gerloff, Stellvertretender Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE.
„Das UKE ist der Ort für Spitzenmedizin und Innovation – für Hamburg, für den Norden. Insbesondere aufgrund moderner Umstrukturierungen gelingt es uns seit vier Jahren mit großen Anstrengungen, die schwarze Null als Jahresergebnis zu erreichen. Doch auch wir werden zunehmende Finanzierungsdefizite mittelfristig nicht ausbalancieren können. Es müssen insbesondere auf Bundesebene grundlegende und mutige Entscheidungen getroffen werden, Hochschulmedizin so zu finanzieren, dass diese wichtigen medizinischen Versorgungseinrichtungen in Deutschland nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Eine entscheidende Rolle spielen auch die Anpassungen der Krankenkassensätze für aufwändige Behandlungen sowie die Einführung von Zuschlägen für die Hochschulmedizin. Andere Länder machen es uns vor, wie beispielsweise die Niederlande, bei denen die „akademische Komponente“ ein fester Bestandteil der Finanzierung in der Krankenversorgung ist“, so Gerloff.
„Das UKE steht für Spitzenforschung sowie exzellente Lehre und Weiterbildung“, betont Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät und Mitglied des UKE-Vorstandes. „Das Problem der Unterfinanzierung in der Krankenversorgung wird verschärft durch eine kontinuierlich abnehmende Unterstützung von Lehre und Forschung durch Landesmittel. Die angekündigten Anpassungen der Finanzierung von 0,88 Prozent pro Jahr decken die Kostensteigerungen keinesfalls ab. Bezogen auf die Kaufkraft des jährlich zugewiesenen Etats für Forschung und Lehre werden 2020 im Vergleich zu 2012 etwa 18 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen. Das sind ca. 15 Prozent weniger bei stark wachsenden Leistungsanforderungen.“
Hintergrund:
Universitätskliniken sind Krankenhäuser der höchsten medizinischen Versorgungsstufe. Der Anteil an besonders aufwändigen Behandlungen ist im Vergleich zu anderen Kliniken signifikant höher. In vielen Fällen liegen die Behandlungskosten hier weit über dem, was die Universitätskliniken an Erlösen von den Krankenkassen erhalten. Dies gilt für besonders aufwändige Behandlungen genauso wie für die Versorgung von Patienten in hochspezialisierten und interdisziplinären Behandlungsteams in den Hochschulambulanzen. Unikliniken helfen auch ambulant da weiter, wo niedergelassene Fachärzte an ihre Grenzen stoßen. Allerdings wird diese aufwändige Versorgung in Diagnose und Therapie nicht annähernd kostendeckend finanziert und ist damit eine ständige und immer größer werdende Quelle für die Defizite an Unikliniken.
Vor allem in der Universitätsmedizin werden neue Behandlungsmethoden klinisch erprobt und erstmals angewandt. Medizinischer Fortschritt ist ohne die Hochschulmedizin nicht möglich. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden müssen ohne Zeitverzug durch die Krankenkassen erstattet werden. Zudem ist eine möglichst schnelle Evaluation erforderlich, mit der die neuen Behandlungsmethoden im Hinblick auf Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien überprüft werden.
Die Universitätskliniken gewährleisten gemeinsam mit den Fakultäten die Weiterbildung zum Facharzt in sämtlichen medizinischen Disziplinen. Diese Leistungen sind mit einem hohen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden: Der in den Universitätskliniken im Vergleich zu anderen Krankenhäusern überdurchschnittliche Anteil von Ärzten in der Weiterbildung verursacht einen hohen Koordinations- und Abstimmungsaufwand. Trotzdem nehmen die Universitätskliniken diese Verantwortung mit großem Engagement wahr. Die Einrichtung einer eigenen Weiterbildungsfinanzierung neben dem Fallpauschalensystem ist dringend erforderlich.
Universitätskliniken sichern in Deutschland 365 Tage im Jahr rund um die Uhr die Notfallversorgung mit Fachärzten aller Disziplinen. Während sich immer mehr Krankenhäuser in den Nachtstunden und an Wochenenden von der Notfallversorgung abmelden, fahren Rettungsdienste und Notärzte Universitätskliniken als letzte Möglichkeit an. Bei Katastrophen wie Hochwasser, Flächenbränden oder Unfällen in Kernkraftwerken sind Universitätskliniken wichtiger Teil der Katastrophenschutzpläne. Dennoch erhalten Universitätskliniken für ambulant versorgte Notfälle geringere Pauschalen als Arztpraxen, obwohl ihre notfallmedizinische Kostenbelastung um ein Vielfaches höher liegt. Nach Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) erhalten die Krankenhäuser im Durchschnitt 30 Euro für jeden ambulant versorgten Patienten, die Kosten liegen allerdings bei rund 120 Euro. Damit sind Notfallambulanzen für Universitätskliniken ein Zuschussgeschäft.
Patienten mit einer seltenen Erkrankung benötigen eine aufwändige interdisziplinäre Spezialdiagnostik. Häufig können nur viele Spezialisten im Team das Rätsel lösen. Es gibt zwischen 7.000 und 8.000 seltene Erkrankungen, allein in Deutschland leiden etwa vier Millionen Menschen daran. Universitätskliniken können hier Hilfe anbieten. Auch ein Kawasaki-Syndrom oder eine kindliche Demenz müssen behandelt werden. Das Missverhältnis zwischen dem enormen Aufwand bei der Diagnose, Behandlung und Betreuung von Menschen mit seltenen Erkrankungen und der dafür bewilligten Vergütung muss endlich beendet werden.
Spezielle interdisziplinäre Zentren werden an Universitätskliniken seit Jahren aufgebaut und etabliert. Diese Zentren zeichnen sich durch fächer- und krankheitsübergreifende Strukturen aus. Beispiele sind etwa die Onkologie, die Gefäßmedizin oder die Versorgung von seltenen Erkrankungen. Somit kommen die Zentren an Universitätskliniken den besonderen Anforderungen bei der Diagnose und Therapie komplexer Krankheitsbilder nach. Interdisziplinäre Versorgung versteht sich hierbei immer als eine gemeinschaftliche Diagnosestellung und gemeinsame Aufstellung eines Teams aus Spezialisten verschiedener Fachrichtungen. Folge sind deutlich erhöhte Personalkosten. Der höhere Aufwand, der Koordination, umfassendes Qualitätsmanagement und eine lückenlose Dokumentation beinhaltet, schlägt sich in einer besseren Behandlungsqualität und besseren Behandlungsergebnissen nieder. Obwohl gesetzliche Regelungen für die interdisziplinären Krankenversorgungszentren das Verhandeln von Zuschlägen mit den Krankenkassen vorsehen, wird den berechtigten finanziellen Ansprüchen der Universitätskliniken meist nicht entsprochen.
Eine nachhaltig ausgestattete wettbewerbsfähige deutsche Hochschulmedizin braucht bessere Förderstrukturen. Eine Stagnation oder gar ein Rückgang der Landesmittel können angesichts stetig steigender Kosten nicht von den Universitätskliniken kompensiert werden. Gleichzeitig muss die Bundesregierung wieder in die Finanzierung des Hochschulbaus und der Ausstattung der Fakultäten einsteigen. Hier könnte die von der Bundesregierung angekündigte Grundgesetzänderung des Art. 91 b (mehr Kooperation von Bund und Ländern in der Wissenschaft) die erforderlichen Handlungsspielräume schaffen. Die beschlossene Entlastung der Länder durch die komplette Übernahme der BAFÖG-Kosten durch den Bund kann weitere finanzielle Spielräume für die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur der deutschen Hochschulmedizin eröffnen. Es steht allerdings zu befürchten, dass die Länder diese Entlastung nicht nutzen werden, um die Universitätskliniken angemessener zu unterstützen.
Interner Mitgliederbereich
Aktionswoche
Best practice-Beispiele der Standorte (Veranstaltungen, Grafiken, Medien, …)
Universitätsklinikum Hamburg beteiligt sich an bundesweiter Aktionswoche der deutschen Hochschulmedizin